Arten des PID

Primäre Immundefekte (PID) sind angeborene Störungen des körpereigenen Abwehrsystems. Doch wie entsteht ein Immundefekt eigentlich? Und was kann dagegen getan werden? Erfahren Sie mehr über die Symptome und die Möglichkeiten der Behandlung am Beispiel von einigen wichtigen Formen der Erkrankung.

Variables Immundefektsyndrom (CVID)

Synonym: common variable immunodeficiency (CVID )

Das variable Immundefektsyndrom ist eine angeborene Erkrankung des Immunsystems, bei der die Anzahl der Antikörper im Blut der Betroffenen verringert ist. Es gehört somit zu den Antikörpermangelsyndromen und kommt im Vergleich zu anderen angeborenen Immundefekten relativ häufig vor . 

Lesen Sie hier, welche Symptome auftreten können und wie CVID diagnostiziert und behandelt werden kann.
 

Wie äußert sich CVID?

Die Symptome bei CVID können individuell sehr unterschiedlich sein, je nach Art, Schwere der Erkrankung und Zeitpunkt des Auftretens. Betroffene bemerken häufig im Alter von 20 bis 30 Jahren Beschwerden wie:

Häufige Infektionen: Das Immunsystem von CVID-Betroffenen kann sich schlechter gegen Bakterien und Viren verteidigen. Dabei sind häufig auch die Ohren oder Augen betroffen, etwa durch Mittelohr- oder Bindehautentzündungen. Auch Hirnhautentzündungen oder Blutvergiftungen können vorkommen.

Husten und Atembeschwerden: Auch die gesamten Atemwege sind anfälliger für Infektionen, bis hin zu Lungenentzündungen. Treten diese immer wieder auf, kann die Folge unter anderem eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) sein.

Durchfälle: Viele Krankheitserreger wie Viren und Bakterien können zu Durchfällen führen und die Nahrungsaufnahme im Darm stören. Aber auch chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (z. B. Morbus Crohn) können die Ursache für diese Symptome sein.

Ekzeme oder Haarausfall: CVID kann ebenfalls mit entzündlichen, oft juckenden Hauterkrankungen (Ekzemen) einhergehen. Betroffene leiden beispielsweise an atopischer Dermatitis – früher auch als Neurodermitis bezeichnet. Es kann aber auch zu kreisrund begrenztem oder zu komplettem Haarausfall (Alopecia areata bzw. universalis) kommen.

Wie entsteht CVID?

Die genauen Ursachen für die Entstehung von CVID sind bislang noch nicht abschließend geklärt. Als Ursache für die ungenügende Produktion von Antikörpern werden sowohl genetische Mutationen – also veränderte Erbinformationen – als auch Umweltfaktoren diskutiert. Der Mangel an Antikörpern im Blut betrifft vor allem die Antikörperklassen Immunglobulin (Ig) G und teilweise auch IgM und IgA.

Wie wird CVID diagnostiziert?

Besteht der Verdacht auf CVID, kann über eine Blutabnahme die Menge der vorhandenen Antikörper im Labor bestimmt werden. Zusätzlich sind weiterführende Labortests möglich. Hierzu gehören Bestimmungen, wie viele der sogenannten B- und T-Zellen vorhanden sind oder wie die Immunreaktion auf eine vorherige Impfung ausfällt . 
Grundsätzlich gilt: Je früher CVID diagnostiziert wird, desto besser lässt sich das Risiko für häufige und schwere Infektionen oder Folgeerkrankungen durch eine effektive Therapie senken. 

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei CVID?

Bei einem Antikörpermangel kann eine so genannte Immunglobulin-Ersatztherapie zum Einsatz kommen. Betroffene erhalten hierbei in regelmäßigen Abständen Antikörper – also Immunglobuline – von gesunden Spendern. Dies unterstützt vor allem die Abwehr von Krankheitserregern und senkt die Infektionshäufigkeit . Weitere Informationen zu dieser Therapie finden Sie hier.

Bei bestehenden Infektionen werden außerdem Antibiotika eingesetzt – abhängig von den jeweiligen Krankheitserregern und betroffenen Organen. 

Wichtig!

Bestehen neben CVID weitere Erkrankungen, wie zum Beispiel eine Autoimmunerkrankung, wird auch diese behandelt. Ihr Arzt oder Ihre Ärztin wird Ihren persönlichen Behandlungsplan gemeinsam mit Ihnen besprechen.
 


X-chromosomal vererbte Agammaglobulinämie (XLA)

Synonyme: engl. X-linked Agammaglobulinemia (XLA); Bruton-Syndrom; Morbus Bruton 
Die X-chromosomal vererbte Agammaglobulinämie (XLA) ist eine der häufigsten angeborenen Erkrankungen des Immunsystems. Betroffene mit XLA können selbst keine Antikörper herstellen, wodurch sie vermehrt an Infektionen leiden . 

Lesen Sie hier, welche Symptome auftreten können, welche Veränderung im Erbgut vorliegt und wie dieser Immundefekt diagnostiziert und behandelt wird.

Wie äußert sich XLA ?

Betroffene mit XLA erkranken häufig an Infektionserkrankungen wie Mittelohr, Lungen- oder Nasennebenhöhlenentzündungen. Auch Entzündungen der Haut oder Beschwerden des Magen-Darm-Trakts können auftreten. Häufige Durchfälle, Bauchschmerzen oder auch Wachstumsprobleme bei Säuglingen können hier erste Hinweise sein.

Betroffene mit XLA sind auch für Erreger empfänglich, die für gesunde Menschen keine Bedrohung darstellen. Zudem erkranken sie deutlich häufiger und länger als Menschen ohne einen Immundefekt. 

Die Symptome beginnen im Normalfall erst nach dem 6.–8. Lebensmonat, da Säuglinge nach der Geburt noch durch die übertragenen Antikörper der Mutter vor Infektionen geschützt sind (sogenannter Nestschutz).

Wie entsteht XLA?

Die sogenannten B-Zellen produzieren Antikörper (Immunglobuline) als einen wichtigen Teil unserer Immunabwehr. Die Entwicklung der B-Zellen hängt unter anderem von einem bestimmten Enzym ab, der sogenannten Bruton-Tyrosinkinase (BTK). Bei XLA fehlt dieses Enzym oder ist nur reduziert funktionsfähig. Das hat zur Folge, dass die B-Zellen keine oder nur eine begrenzte Anzahl an Antikörper produzieren können („Agammaglobulinämie “; übersetzt etwa „Blutkrankheit mit fehlenden [a] Gammaglobulinen“). Andere Bereiche des Immunsystems sind dabei weitestgehend funktionsfähig.

Diese angeborene Veränderung des Erbguts (Gendefekt) betrifft das X-Chromosom („X-chromosomal“), sodass nur Jungen bzw. Männer erkranken können. Jedoch gibt es Erkrankungen, die XLA sehr ähneln und die auch Mädchen und Frauen betreffen können. Sie werden unter dem Oberbegriff „autosomal-rezessive Agammaglobulinämien (ARA)“ zusammengefasst und sind ebenfalls die Folge von Veränderungen des Erbguts.

Wie wird XLA diagnostiziert?

Der Verdacht auf XLA wird bei häufig wiederkehrenden Infektionen mit gewöhnlichen Erregern gestellt. Zunächst wird mithilfe eines Bluttests die Anzahl der Antikörper und Immunzellen bestimmt. Zu einer genauen XLA-Diagnose gehört auch eine genetische Untersuchung des Erbguts mit Informationen zum BTK-Protein. 

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei XLA ?

Betroffene können die fehlenden Antikörper – auch Immunglobuline genannt – über eine Plasmaspende von gesunden Menschen erhalten. Diese so genannte Immunglobulin-Ersatztherapie mildert die Schwere und senkt die Häufigkeit von Infektionen. Weitere Informationen dazu finden Sie hier. Zusätzlich kommen bei der Therapie von XLA auch Antibiotika zum Einsatz. Ihr Arzt oder Ihre Ärztin wird die für Sie passende Therapie ausführlich mit Ihnen besprechen.

Aufgrund des stark eingeschränkten Immunsystems sollten Betroffene mit XLA nicht mit Lebendimpfstoffen geimpft werden, da die darin enthaltenen Erreger schwere Erkrankungen auslösen können.

Worauf Betroffene mit einem Immundefekt bei Impfungen noch achten sollten und bei welchen Impfungen Lebendimpfstoffe eingesetzt werden, erfahren Sie hier.


IgG-Subklassen-Mangel

Beim IgG-Subklassen-Mangel ist der Körper nicht der Lage, ausreichende Mengen des Antikörpers Immunglobulin G (IgG) in einer oder mehreren seiner Unterklassen (Subklassen) zu produzieren. Das beeinträchtigt das Immunsystem, mit der Folge, dass Betroffene deutlich häufiger und langanhaltender als gesunde Menschen erkranken können – auch an normalerweise ungefährlichen Keimen.

Lesen Sie hier, welche Symptome auftreten können und wie die Krankheit entsteht, erkannt und behandelt wird.

Wie äußert sich ein IgG-Subklassen-Mangel?

Infolge des geschwächten Immunsystems können – abhängig vom jeweiligen Mangel in den Immunglobulin G-Subklassen – folgende Symptome auftreten:

  • Infektionen der Atemwege (z. B. Nasennebenhöhlen- oder Lungenentzündungen)
  • Mittelohrentzündungen
  • in seltenen Fällen an Blutvergiftungen oder Hirnhautentzündungen

Ein alleiniger IgG-Subklassen-Mangel muss jedoch nicht unbedingt mit Symptomen einhergehen und wird daher nicht immer erkannt.

Wie entsteht ein IgG-Subklassen-Mangel?

Die „Familie“ des Antikörpers IgG besteht aus vier Mitgliedern (Subklassen):

  • IgG1-Subklasse
  • IgG2-Subklasse
  • IgG3-Subklasse
  • IgG4-Subklasse

Beim IgG-Subklassen-Mangel ist die Konzentration von einem oder mehreren dieser Subklassen im Blut zu gering – auch wenn die Gesamtmenge von IgG bei der Erkrankung oft im Normbereich liegt. 

Die Ursachen für einen IgG-Subklassenmangel sind noch nicht vollständig erforscht. Man weiß jedoch, dass bei einer geringen Anzahl an Betroffenen der Mangel vererbt wird – dass also die Veränderung des Erbguts hier ursächlich ist.

Betroffene mit einem IgG-Subklassen-Mangel haben also nicht unbedingt einen Immundefekt, in den meisten Fällen ist der Mangel erworben. Generell gilt bei dieser Erkrankung: Nur wenn das Immunsystem nach einer Impfung keinen ausreichenden Schutz gegen den Erreger aufbauen kann, liegt ein Immundefekt vor .

Wie wird ein IgG-Subklassen-Mangel diagnostiziert?

Bei einem Verdacht auf einen IgG-Subklassen-Mangel werden die Werte der einzelnen IgG-Subklassen (IgG1–4) mithilfe eines Bluttests untersucht. Wichtig zu wissen ist, dass die sogenannten Normwerte sich altersabhängig ändern – das heißt, alle gemessenen Werte müssen in Bezug zum jeweiligen Alter des Betroffenen beurteilt werden.

Am häufigsten kommt es zu einem Mangel in der IgG4-Subklasse, gefolgt von IgG2 und IgG3. Nur selten fehlen Antikörper der Subklasse IgG1. 

Häufig treten zu niedrige IgG-Blutwerte auch in Kombination mit anderen Immundefekten auf. Hierzu gehören der selektive IgA-Mangel, das Wiskott-Aldrich-Syndrom, das Louis-Bar-Syndrom oder andere spezifische Antikörpermangel-Syndrome. 

Aber auch andere Erkrankungen wie atopische Dermatitis/Neurodermitis, chronische Atemwegserkrankungen (z. B. Asthma) oder auch Autoimmunerkrankungen kommen in Kombination mit dem IgG-Subklassen-Mangel vor.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei einem IgG-Subklassen-Mangel?

Die Behandlung eines IgG-Mangels richtet sich nach der Schwere der Symptome. Kommt es vermehrt zu Infektionen, können Antibiotika (auch vorbeugend) sowie eine Immunglobulin-Ersatztherapie eingesetzt werden. Diese senkt die Häufigkeit und mildert die Schwere der Infektionen.


Hyper-IgM-Syndrom (HIGM-Syndrom)

Das Hyper-IgM-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung des Immunsystems, bei der die verschiedenen Antikörperklassen ungleich gewichtet sind. Namensgebend für die Krankheit ist die vergleichsweise zu hohe Menge („Hyper“) des Immunglobulins IgM im Blut der Betroffenen. Aufgrund der Vererbung über das X-Chromosom erkranken nur Jungen bzw. Männer an diesem Syndrom.

Lesen Sie hier, welche Symptome auftreten können und wie die Erkrankung diagnostiziert und behandelt wird.

Wie äußert sich das Hyper-IgM-Syndrom?

Die meisten Betroffenen entwickeln innerhalb des ersten bis zweiten Lebensjahres Symptome. Diese können sich jedoch sehr unterschiedlich zeigen und zusammensetzen – selbst innerhalb einer Familie.

Häufig zeigen sich folgende Anzeichen : 

  • wiederkehrende Infektionen der Atemwege (Nasennebenhöhlen-, Kehlkopf- und Lungenentzündungen)
  • langwierige und wiederkehrende Durchfälle

Im Verlauf der Krankheit kann es aufgrund der häufigen Infektionen zu einer schweren Lebererkrankung – der so genannten primär sklerosierenden Cholangitis – kommen. Auch Autoimmunerkrankungen wie eine chronische Arthritis sind bei Betroffenen mit einem Hyper-IgM-Syndrom nicht selten.

Wie entsteht das Hyper-IgM-Syndrom?

Bei der häufigsten Form des Hyper-IgM-Syndroms liegt eine vererbte Veränderung (Mutation) in einem Gen namens „CD40-Ligand“ vor. Dieses Protein wird für die Kommunikation zwischen verschiedenen Immunzellen benötigt. Fällt diese Interaktion weg, stellen Immunzellen nur noch den Antikörper IgM her, die Produktion anderer Antikörper wie beispielsweise IgG, IgA und IgE wird ausgesetzt. Das hat zur Folge, dass das Immunsystem stark in seiner Funktion eingeschränkt ist – und damit Krankheitserreger schlechter abwehren kann.

Warum Betroffene mit einer Veränderung im selben Gen häufig trotzdem unterschiedliche Symptome aufweisen, ist bislang nicht bekannt. 

Wie wird das Hyper-IgM-Syndrom diagnostiziert?

Kommt es bei Jungen immer wieder zu schweren Atemwegsinfekten und/oder wiederkehrenden Durchfällen, die auch die Entwicklung beeinträchtigen können, liegt der Verdacht auf ein Hyper-IgM-Syndrom nahe . Labortests können dann, zusätzlich zu den aufgeführten Symptomen, einen Mangel an IgA- und IgG-Antikörpern und weiteren Immunzellen feststellen. IgM-Antikörper liegen dabei gehäuft oder im Normalbereich vor.

Anhand einer genetischen Untersuchung kann die Veränderung im Erbgut festgestellt und die Verdachtsdiagnose bestätigt werden.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei einem Hyper-IgM-Syndrom?

Zur Behandlung der auftretenden Symptome und zum Schutz vor Infektionen und ihren Langzeitfolgen werden folgende Maßnahmen eingesetzt: 

  • Infektions-Prophylaxe: Mithilfe von Antibiotika können Infektionen vorbeugend oder akut behandelt werden. 
  • Immunglobulin-Ersatztherapie: Betroffene erhalten in regelmäßigen Abständen Antikörper (Immunglobuline) von gesunden Spendern. Dies senkt die Anzahl und mildert die Schwere der Infektionen. Näheres finden Sie hier. 
  • Hygienemaßnahmen: Generell sollten Betroffene und ihr Umfeld verstärkt auf Hygiene in allen Bereichen achten. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wichtig: Ärztliche Kontrolle

Regelmäßige ärztliche Untersuchungen sind äußerst wichtig, um rechtzeitig auf Veränderungen der Erkrankung reagieren zu können. So lassen sich Organschäden verhindern beziehungsweise frühzeitig erkennen.

Auch eine Stammzelltransplantation ist – je nach Schwere der Erkrankung – möglich und verspricht Aussicht auf Heilung. Denn Stammzellen besitzen die Fähigkeit, zu verschiedenartigen Zellen ausreifen zu können und damit fehlende oder fehlerhafte Abwehrzellen zu ersetzen.

Allerdings sollte die Transplantation von Stammzellen eines passenden Spenders vor dem zehnten Lebensjahr des betroffenen Kindes erfolgen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt sind seine Organe noch nicht merklich von der Krankheit und vor allem noch nicht so häufig von Infektionen betroffen. 


Selektiver IgA-Mangel (SIgAD)

Der selektive IgA-Mangel (SIgAD) ist eine der häufigsten angeborenen Erkrankung des Immunsystems. Selektiv bedeutet, dass nur das Immunglobulin A (IgA) in verminderter Konzentration vorliegt, während die Werte anderer Antikörper wie IgM oder IgG im Normbereich liegen. Fehlt dem Körper IgA, kann dies sehr unterschiedliche Folgen haben: Einige Betroffene erkranken häufiger, während andere einen IgA-Mangel nie bemerken. 

Lesen Sie hier, welche Symptome auftreten können und wie ein IgA-Mangel behandelt werden kann.

Wie äußert sich ein selektiver IgA-Mangel?

Das Immunglobulin IgA kommt vor allem in den Absonderungen (Sekreten) der Schleimhäute vor, wo es Erreger abwehrt. Schleimhäute befinden sich im Mund- und Rachenraum, aber beispielsweise auch in Ohren, Nase und Augen oder im Magen-Darm-Trakt. Daher treten bei einem IgA-Mangel vor allem Infektionen der Atemwege (z.B. Nasennebenhöhlen- oder Lungenentzündungen) oder auch Magen-Darm-Erkrankungen (u. a. Durchfall) auf.

Schätzungsweise rund 25 bis 50 Prozent der Menschen mit einem IgA-Mangel entwickeln Symptome. Außerdem erkranken 25 bis 33 Prozent der Betroffenen an einer Autoimmunerkrankung wie beispielsweise der rheumatoiden Arthritis. Auch Allergien können vermehrt vorkommen. 

Wie entsteht ein selektiver IgA-Mangel?

Die Ursache für einen IgA-Mangel ist bislang nicht bekannt. Ebenso ist unklar, warum einige Betroffene keinerlei Symptome entwickeln und andere sehr häufig an Infektionen erkranken. Rund 20 Prozent aller Betroffenen erben den Mangel von ihren Eltern. In einigen Familien kommen gleichzeitig auch andere angeborene Immundefekte gehäuft vor. 
Expert:innen diskutieren, ob ein IgA-Mangel durch Funktionsstörungen der T- und/oder B-Zellen auftreten kann. 

Wie wird ein selektiver IgA-Mangel diagnostiziert?

Ein erster Verdacht für einen selektiven IgA-Mangel wird meist durch auftretende Symptome gestellt. Mithilfe eines Bluttests kann die Konzentration von IgA bestimmt werden. Liegt diese unter einem bestimmten Schwellenwert und zeigen sich gleichzeitig normale Konzentrationen an IgG und IgM, kann dies den Verdacht erhärten. Gleichzeitig sollten auch weiterführende Tests (wie z. B. ein großes Blutbild) durchgeführt werden, um die Diagnose zu bestätigen und auszuschließen, dass andere Immundefekte vorliegen. 

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei einem selektiven IgA-Mangel?

Eine Immunglobulin-Ersatztherapie, die bei vielen Antikörpermangel-Erkrankungen zum Einsatz kommt, enthält nur Immunglobuline der Klasse G (IgG) und ist daher bei einem selektiven IgA-Mangel nicht wirksam. Eine Behandlung mit IgA von gesunden Spendern, um einen Mangel auszugleichen, ist noch nicht möglich. Aktuell kommen daher Antibiotika zum Einsatz , entweder vorbeugend oder bei akuten Infektionen. 

Wichtig!

Betroffene mit einem selektiven IgA-Mangel können bei der Gabe von Blutkonserven in seltenen Fällen zu allergischen Reaktionen neigen. Informieren Sie daher vor einer anstehenden Infusion den Arzt oder die Ärztin zu Ihrer Erkrankung. 


Schwerer kombinierter Immundefekt (SCID)

Synonyme: severe combined immunodeficiency (SCID)

Der schwere kombinierte Immundefekt (engl. Abkürzung: SCID) ist ein Sammelbegriff für unterschiedliche angeborene und schwere Krankheiten des Immunsystems. Bei SCID können verschiedene Zellarten der Immunabwehr beeinträchtigt sein. Vor allem ist jedoch die Entwicklung der sogenannten T-Zellen gestört. 

Lesen Sie hier, welche Symptome bei SCID auftreten können und wie diese Immundefekte erkannt und behandelt werden.

Wie äußert sich SCID ?

Die Erkrankung zeigt sich meistens ab dem dritten bis sechsten Lebensmonat. Denn dann lässt der sogenannte Nestschutz durch die Antikörper der Mutter im Blut des Kindes nach. Kinder mit SCID werden häufiger krank als andere Kinder, die Infektionen verlaufen schwerwiegender und dauern länger. Erreger, die für ein gesundes Immunsystem nicht gefährlich sind, können schwere Durchfälle, Lungen- oder Leberentzündungen hervorrufen. Kinderkrankheiten wie Windpocken oder Röteln können für Kinder mit SCID lebensbedrohlich sein. 

Wichtig!

Impfungen mit Lebendimpfstoffen sind für Kinder mit SCID sehr gefährlich. Aufgrund ihres beeinträchtigten Immunsystems können sie auch an den abgeschwächten Erregern der Impfstoffe schwer erkranken. Wenn bekannt ist, dass in der Familie eines Neugeborenen ein Verwandter an SCID erkrankt ist oder war, sollte vor einer Impfung erst ein ausführliches Screening des Neugeborenen erfolgen.

Wie entsteht SCID ?

SCID umfasst als Sammelbegriff zahlreiche unterschiedliche Erkrankungen. Gemeinsam ist ihnen eine Veränderung des Erbguts (Mutation), die sich auf die Anzahl und/oder Funktion wichtiger Schlüsselzellen der Immunabwehr auswirkt. Grundsätzlich sind davon die T-Zellen betroffen, oft die B-Zellen und selten auch die NK(natural killer)-Zellen. Sie alle übernehmen jeweils eigene Aufgaben bei der Immunabwehr. Ist ihre Entwicklung gestört, können unterschiedlichste Keime wie Viren, Bakterien oder Pilze nicht ausreichend bekämpft werden. Die Folge ist eine starke Anfälligkeit für alle Arten von Infektionskrankheiten.

Die häufigste Erkrankungsform (45 Prozent aller Fälle) ist X-SCID. Hier liegt das veränderte Erbgut auf dem X-Chromosom. Das bedeutet, dass Erkrankungssymptome nur bei Jungen bzw. Männern auftreten. Denn diese besitzen jeweils ein Y- und ein X-Chromosom. Wenn die Gene auf dem X-Chromosom verändert sind, kann der Defekt nicht durch ein zweites, gesundes X-Chromosom ausgeglichen werden, wie das bei Mädchen bzw. Frauen der Fall ist.

Wie wird SCID diagnostiziert ?

Erste Hinweise auf SCID sind schwerwiegende wiederkehrende Infektionen, starke Durchfälle und/oder eine nicht altersgemäße körperliche Entwicklung des Säuglings. Auch lebensbedrohliche Infektionen, die eine Einweisung ins Krankenhaus notwendig machen, lassen den Verdacht auf SCID erhärten.

Die ärztliche Diagnose umfasst neben ausführlichen körperlichen Untersuchungen und der Frage nach der Familiengeschichte (gibt es bekannte Immundefekte in der Familie?) verschiedene Bluttests. Damit wird unter anderem die Anzahl der Immunzellen im Blut bestimmt. Über einen Gentest kann die Diagnose gesichert werden.

Gut zu wissen

Eine frühzeitige Diagnose ist für eine wirksame und schnelle Therapie äußerst wichtig. Daher wurde 2019 in Deutschland ein Neugeborenen-Screening für SCID eingeführt. Das Screening ermöglicht, die Erkrankung bereits nach der Geburt zu erkennen – und damit, die betroffenen Kinder schon zu behandeln, bevor die Krankheit ausbricht. Das erhöht die Heilungschancen erheblich .
 

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei SCID?

Die Behandlung von SCID erfordert deutlich raschere und drastischere Maßnahmen als bei anderen angeborenen Immundefekten.

Wenn schon Infektionen vorliegen, steht zunächst deren Behandlungen sowie die Abwehr weiterer Infektionen durch Medikamente wie Antibiotika im Vordergrund. Mithilfe einer regelmäßigen Immunglobulin-Ersatztherapie erhalten die Betroffenen die jeweils fehlenden Antikörper. 

Allerdings kann bisher nur eine Stammzelltransplantation die Erkrankung vollständig heilen. Dabei werden den Betroffenen Stammzellen von passenden Spendern übertragen. Stammzellen sind Körperzellen, die in ihrer Funktion noch nicht festgelegt sind und zu verschiedenen Zellarten ausreifen können. Daher sind sie in der Lage, auch Funktionen fehlender oder fehlerhafter Abwehrzellen zu übernehmen. Erfolgt die Transplantation innerhalb der ersten drei Lebensmonate, sind die Erfolgschancen sehr hoch. Diese Art der Therapie wird an speziellen Zentren durchgeführt. Eine Zusammenstellung dieser Zentren finden Sie hier.

Bei SCID ist ein erhöhter Schutz vor Infektionen durch weitreichende Hygienemaßnahmen extrem wichtig. Um Infektionen zu vermeiden, sollten auch Kontakte zu anderen Personen reduziert werden, unter Umständen auch zu Geschwisterkindern. Genaueres sprechen die Ärzt:innen im Einzelfall mit den Angehörigen ab.

Ein verlässliches Netz(-werk)

Ihr Kind oder Ihr Angehöriger ist von SCID betroffen? Auch wenn diese Diagnose sehr belastend sein kann: Bei den Expert:innen in den auf Immundefekte spezialisierten Zentren sind Sie in den besten Händen. Über die ärztliche Betreuung hinaus können Sie sich an die Patientenorganisation für angeborene Immundefekt (dsai e. V.)  wenden. Und nicht zuletzt können auch Ihre Familie und Freunde Sie auf diesem Weg begleiten und unterstützen. 
 


Wiskott-Aldrich-Syndrom

Das Wiskott-Aldrich-Syndrom ist eine seltene angeborene Erkrankung des Immunsystems. Sie tritt nur bei Jungen bzw. Männern auf. Ursache ist eine Veränderung im Erbgut, die sich unter anderem auf die Bildung der Blutplättchen (Thrombozyten) und damit auf die Blutgerinnung auswirkt . 

Lesen Sie hier, welche Symptome auftreten können und wie die Erkrankung diagnostiziert und behandelt wird.

Wie äußert sich das Wiskott-Aldrich-Syndrom?

Bei Betroffenen mit einem Wiskott-Aldrich-Syndrom treten folgende drei Kernsymptome (die so genannte Symptom-Trias ) auf: 

  • erhöhte Blutungsneigung 
  • wiederkehrende, schwer behandelbare Infektionen 
  • entzündliche Erkrankungen der Haut (Ekzeme)

Die Symptome können individuell unterschiedlich ausgeprägt sein und verschiedene Altersstufen betreffen . Die erhöhte Blutungsneigung zeigt sich teilweise schon bei Neugeborenen mit punktförmigen Einblutungen (sogenannten Petechien). Auch blutige Durchfälle oder die Neigung zu verlängerten Blutungen bei Verletzungen sind typische Symptome. Zusätzlich kann es zur Entwicklung von Autoimmunerkrankungen kommen. Hierbei greift der Körper eigenes Gewebe an.

Wie entsteht das Wiskott-Aldrich-Syndrom?

Bei WAS kann das sogenannte Wiskott-Aldrich-Protein (WASp) aufgrund einer genetischen Veränderung nicht oder nur eingeschränkt gebildet werden. Dieses Protein spielt eine wichtige Rolle bei der Interaktion zwischen Zellen und bei der Bildung von Blutplättchen (fachsprachlich Thrombozyten). Fehlt WASp, wirkt sich das vor allem auf die Immunabwehr und die Blutgerinnung aus. 

Da die Information des Wiskott-Aldrich-Proteins auf dem X-Chromosom liegt, tritt das Wiskott-Aldrich-Syndrom nur bei Männern und Jungen auf. Denn diese besitzen nur jeweils ein X- und ein Y-Chromosom. Daher kann bei ihnen der Verlust der Erbinformation – im Gegensatz zu Mädchen bzw. Frauen – nicht durch ein zweites, gesundes X-Chromosom ausgeglichen werden.

Bisher wurden bereits mehr als 300 Veränderungen (Mutationen) festgestellt. Daher kann die Erkrankung individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein.

Wie wird das Wiskott-Aldrich-Syndrom diagnostiziert?

Kommt es bei männlichen Säuglingen und Kleinkindern oder bei Jungen zu häufigen Blutungen, Hautentzündungen und schweren Infektionen, kann das auf WAS hindeuten. Bei der sogenannten Familienanamnese fragt der Arzt oder die Ärztin unter anderem nach Besonderheiten und Erkrankungen von Verwandten. Mithilfe eines Bluttests können Anzahl und Funktion der Thrombozyten ermittelt werden.

Wichtig!

Nur eine genetische Untersuchung zum Wiskott-Aldrich-Protein kann eine eindeutige Diagnose liefern.
 

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es beim Wiskott-Aldrich-Syndrom?

Die Therapie des Wiskott-Aldrich-Syndroms richtet sich nach den Symptomen der Erkrankung . Bei wiederkehrenden und schweren Infektionen helfen Antibiotika sowie eine Immunglobulin-Ersatztherapie. Weitere Informationen dazu finden Sie hier. 

Bei starken Blutungen (z. B. nach Verletzungen) können Infusionen mit Blutplättchen zum Einsatz kommen. Diese sorgen für einen schnelleren Wundverschluss und schützen Organe, die in der Nähe der Wunde liegen. 

Ekzeme können mit speziellen Lotionen und Cremes behandelt werden, um Juckreiz und Spannungen in der Haut zu lindern. 

Wichtig!

Betroffene mit WAS sollten nicht mit Lebendimpfstoffen geimpft werden. Denn diese enthalten noch geringe Mengen vermehrungsfähiger Krankheitserreger, die normalerweise keine Erkrankung mehr auslösen können. Bei einem Immundefekt wie WAS besteht dagegen ein Risiko, an den Erregern zu erkranken. Weitere Informationen zu Impfstoffen und worauf Betroffene bei Impfungen achten sollten, finden Sie hier . Ihr Arzt oder Ihre Ärztin wird mit Ihnen einen individuell angepassten Impfplan besprechen.
 


DiGeorge-Syndrom

Das DiGeorge-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung des Immunsystems, bei der das Erbgut auf einem bestimmten Chromosom verändert ist. Das führt bereits beim Embryo zu einer gestörten Entwicklung unter anderem im Gesichts- und Rachenbereich. Das DiGeorge-Syndrom ist nur eine von vielen Erkrankungen, die alle zum sogenannten Mikrodeletionssyndrom 22q11 zählen.

Lesen Sie hier, welche Symptome auftreten können und wie das DiGeorge-Syndrom diagnostiziert und behandelt werden kann.

Wie äußert sich das DiGeorge-Syndrom?

Die Erkrankung kann individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, je nachdem, wie und in welchem Ausmaß das Erbgut verändert ist. Trotzdem gibt es charakteristische Symptome, die sich mit der Abkürzung CATCH zusammenfassen lassen:

Cardiac Abnormality | angeborener Herzfehler

Hier kann es zu Fehlbildungen der großen Blutgefäße oder auch Herzklappendefekte kommen.

Abnormal facies | Gesichtsdysmorphie

Häufig zeigen sich:
-    ein zurückgezogenes Kinn
-    eine veränderte Ohrenform

Thymic aplasie | Fehlen des Thymus

Der Thymus – ein wichtiges Organ für unser Immunsystem – ist nicht angelegt oder zu klein.

Cleft palate | Lippen-Kiefer-Gaumensegelspalte

Je nach Ausmaß bleibt aufgrund der Fehlentwicklung eine Spalte in den Lippen und/oder dem Kiefer und/oder dem Gaumensegel bestehen. Dies kann zu Sprech- und Schluckstörungen führen.

Hypocalcemia/Hypoparathyroidism | Hypokalzämie/Hypoparathyroidismus

Ein erniedrigter Kalziumspiegel (Hypokalzämie) oder eine Unterfunktion der Nebenschilddrüse (Hypoparathyroidismus) können Folgen der Fehlentwicklung sein.

Wie entsteht das DiGeorge-Syndrom?

Der Oberbegriff „Mikrodeletionssyndrom 22q11“ weist auf die Ursache des DiGeorge-Syndroms hin. Denn hierbei handelt es sich um den Verlust von Erbgut (Mikrodeletion) auf dem Chromosom 22, genauer gesagt auf dem langen Arm des Chromosoms („q“) im Bereich 11 („22q11“). Da in diesem Bereich der Erbinformation sehr viele Gene liegen, gibt es zahlreiche verschiedene Mikrodeletionssyndrome, unter anderem das DiGeorge-Syndrom .

Beim DiGeorge-Syndrom kommt es zum Verlust des so genannten TBX1-Proteins. Dieses ist insbesondere während der Entwicklung im Mutterleib wichtig. Es steuert die Reifung des Herzens, der Muskeln und Knochen sowie des Thymus und der Nebenschilddrüse . 

Der Thymus  ist ein zentraler Bestandteil des Immunsystems, denn er ist an der Bildung von bestimmten Abwehrzellen – den sogenannten T-Lymphozyten – beteiligt. Fehlt der Thymus oder ist er nur unzureichend ausgebildet, wirkt sich das negativ auf die Immunabwehr aus.

Wie wird das DiGeorge-Syndrom diagnostiziert?

Bei schweren Verläufen der Erkrankung zeigen sich die ersten Hinweise bereits direkt nach der Geburt. Bei einer milden Ausprägung können häufig wiederkehrende Infektionen, eine Lippen-Kiefer-Gaumensegelspalte sowie Muskelkrämpfe erste Hinweise sein. Erniedrigte Kalziumwerte sowie das Fehlen von Immunzellen lassen sich über Labortests bestimmen. Je nach Ausprägung sind weitere fachspezifische Untersuchungen notwendig, beispielsweise in der Kardiologie. Eine genetische Untersuchung ist nötig, um den Verlust des Erbguts auf Chromosom 22 zu bestätigen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es beim DiGeorge-Syndrom?

Der Gendefekt selbst ist nicht therapierbar. Abhängig vom Ausmaß können jedoch zahlreiche Symptome und Begleiterkrankungen des DiGeorge-Syndroms heute gut behandelt werden. So können Antibiotika und ggf. eine Immunglobulin-Ersatztherapie  gegen häufige Infektionen helfen. Zusätzlich und – möglichst frühzeitig – werden angeborene Herzfehler, Lippen-Kiefer-Gaumensegelspalten oder auch niedrige Kalziumwerte behandelt. 
Ihr Arzt oder Ihre Ärztin wird mit Ihnen einen individuellen, auf Sie bzw. Ihr Kind abgestimmten Behandlungsplan erstellen.


Louis-Bar-Syndrom

Synonyme: Ataxia teleangiectasia (AT), Boder-Sedgwick-Syndrom 

Das Louis-Bar-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung, die schon sehr früh zu unterschiedlichen Entwicklungsstörungen führt.

Lesen Sie hier, welche Symptome auftreten können und wie das Louis-Bar-Syndrom diagnostiziert und therapiert wird.

Wie äußert sich das Louis-Bar-Syndrom?

Die Symptome bei einem Louis-Bar-Syndrom sind individuell sehr unterschiedlich. Ein anderer Name für die Erkrankung, „Ataxia teleangiectasia“, weist jedoch auf die beiden häufigsten Symptome hin:

Ataxien: Ataxien sind Bewegungsstörungen. Beim Louis-Bar-Syndrom entstehen sie als Folge eines fortschreitenden Zellverlusts im Kleinhirn. Dieser Bereich im Gehirn ist vor allem für die Koordination und Feinsteuerung von Bewegungen zuständig. Nach der Geburt lernen die betroffenen Kinder häufig noch normal zu krabbeln. Mit fortschreitendem Zellverlust werden Bewegungsabläufe zunehmend unsicherer, etwa wenn die Kinder zu sitzen oder zu laufen beginnen.

Teleangiektasien: Diese bleibenden Erweiterungen kleiner Blutgefäße (als „rote Äderchen“ sichtbar) treten meistens erst später als die Ataxien auf und betreffen vor allem das Gesicht und die Bindehaut der Augen. 

Zusätzlich zu diesen beiden Symptomen ist bei den Betroffenen die Immunabwehr oft erheblich gestört, sodass sie häufiger und länger anhaltend an Infektionen erkranken als gesunde Menschen. Am häufigsten zeigen sich Atemwegsinfektionen wie Lungen- oder Nasennebenhöhlenentzündungen . Auch allgemeine Entwicklungsstörungen treten auf.

Wie entsteht das Louis-Bar-Syndrom?

Das Louis-Bar-Syndrom ist vererbt, allerdings müssen hierzu beide Elternteile Träger dieser Mutation sein.

Ursache für das Louis-Bar-Syndrom sind Veränderungen (Mutationen) im so genannten ATM-Gen, bei denen die Bildung eines bestimmten Proteins (ATM-Enzym) gestört ist. In der Folge können Schäden in der DNA nicht mehr erkannt und repariert werden. Zusätzlich ist die Abwehr von Krankheitserregern herabgesetzt.

Wie wird das Louis-Bar-Syndrom diagnostiziert?

Erste diagnostische Hinweise sind typische Symptome wie zunehmende Bewegungsstörungen des Kindes, eine hohe Infektanfälligkeit oder erweiterte Blutgefäße. 

Das so genannte Alpha-Fetoprotein (AFP) kommt bei Kindern mit Louis-Bar-Syndrom ab einem Alter von etwa anderthalb Jahren gehäuft im Blut vor. AFP lässt sich über einen Bluttest bestimmen, ebenso wie die Menge der vorhandenen Antikörper. Häufig wird hier ein Mangel der Antikörperklasse  IgA und ein erhöhter Wert an IgM nachgewiesen . 

Eine Veränderung des ATM-Gens kann durch eine genetische Untersuchung festgestellt werden.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es beim Louis-Bar-Syndrom?

Beim Louis-Bar-Syndrom können nur die spezifischen Symptome behandelt werden. Antibiotika  kommen bei Infektionen oder auch vorbeugend (prophylaktisch) zum Einsatz. Auch Impfungen  gegen bestimmte Erreger sind möglich. Mithilfe der Immunglobulin-Ersatztherapie können fehlende Antikörper  ersetzt werden. Mehr zu dieser Therapiemöglichkeit lesen Sie hier.

Zusätzlich können Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie wertvolle Therapieergänzungen sein.