Ursachen

Sekundäre Immundefekte (SID) können im Lauf des Lebens auftreten – und unterschiedlichste Ursachen haben. Erfahren Sie, wie erworbene Immundefekte mit einigen Krebserkrankungen im Zusammenhang stehen und warum das Immunsystems bei manchen Autoimmunerkrankungen bewusst „ausgebremst“ wird.

Infektionen und Krebserkrankungen

Für einen erworbenen Immundefekt gibt es vielfältige Ursachen. Am häufigsten führen Leukämien (Blutkrebs) und Krebserkrankungen des Lymphsystem zu einem geschwächten Immunsystem. 

Lesen Sie hier, auf welche Weise Krebserkrankungen die Abwehr schwächen können.

Multiples Myelom

Das Multiple Myelom entsteht im Knochenmark, dem Bildungsort aller Blutzellen. Meist entstehen mehrere („multiple“) Tumorherde, und zwar aus einer einzelnen entarteten Plasmazelle, die sich unkontrolliert vermehrt. Plasmazellen  entwickeln sich aus B-Zellen nach Kontakt mit einem Krankheitserreger. Sie haben die wichtige Aufgabe, Antikörper zu bilden, um Krankheitserreger abzuwehren. Die entarteten Plasmazellen produzieren jedoch funktionsunfähige Antikörper. Darüber hinaus verdrängen die Tumorherde gesundes Knochenmarkgewebe und beeinträchtigen so auch die Produktion anderer Immunzellen sowie weiterer Blutzellen  (beispielsweise der roten Blutkörperchen). 
Das Ergebnis: Durch das geschwächte Immunsystem erkranken Betroffene häufiger und langanhaltender. 

Antikörpermangel schon bei Vorstufe

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass bereits bei einer Vorstufe des Multiplen Myeloms („schwelendes Myelom“) 45 bis 83 Prozent der Betroffenen einen Antikörpermangel aufweisen . Zur Behandlung kann eine Immunglobulin-Ersatztherapie zum Einsatz kommen. Näheres dazu finden Sie hier.
 

Chronisch lymphatische Leukämie

Die chronisch lymphatische Leukämie (CLL) ist in Mitteleuropa die häufigste Krebserkrankung des blutbildenden Systems. Es kommt zur Produktion funktionsunfähiger B-Zellen , die sich in den Lymphknoten, der Milz oder Leber sowie frei im Blut befinden . Diese entarteten B-Zellen haben eine längere Überlebenszeit  und verdrängen dadurch gesunde B-Zellen, aber auch andere Immunzellen. Die Folge: Der Patient entwickelt unter anderem einen Antikörpermangel und kann sich schlechter gegen Krankheitserreger verteidigen.

Eine CLL schreitet bei vielen Patient:innen nur sehr langsam fort. Erst wenn Beschwerden auftreten oder die Erkrankungsaktivität ansteigt, kommen verschiedene Medikamente zur Behandlung der CLL zum Einsatz. Hierzu gehören unter anderem Chemotherapeutika . Neben dieser medikamentösen Behandlung kann zusätzlich eine Immunglobulin-Ersatztherapie hilfreich sein . Betroffene erhalten Antikörper von gesunden Spendern, um Häufigkeit und Schwere von Infektionen zu mindern. Näheres dazu finden Sie hier.

Wichtig!

Ursächlich für eine Immunschwäche kann neben der eigentlichen Erkrankung auch deren Behandlung durch eine Chemotherapie sein. Weiteres zur Entstehung eines erworbenen Immundefekts durch Medikamente finde Sie hier
 


Autoimmunerkrankungen: Angriff gegen den eigenen Körper

Infolge von Immundefekten können unter anderem Autoimmunerkrankungen auftreten. Hierbei ist das Immunsystem nicht in der Lage, körpereigene Zellen und Gewebe von körperfremden zu unterscheiden. Die Folge: Das Immunsystem richtet die Abwehrreaktionen gegen gesundes und funktionsfähiges Gewebe.
Diese sogenannte Immundysregulation (griechisch „dys“ = schlecht) kann zusammen mit einer krankhaft erhöhten Infektanfälligkeit auftreten. Allerdings führen nur wenige der zahlreichen unterschiedlichen Autoimmunerkrankungen unmittelbar zu einem symptomatischen Immundefekt mit erhöhter Infektanfälligkeit. Das kann die Diagnose eines Immundefekts erschweren. Bei Autoimmunerkrankungen können sich auch die Bereiche der primären – also angeborenen – Immundefekte mit denen der erworbenen (sekundären) Immundefekte überlappen und lassen sich teilweise schwer voneinander abgrenzen.

Ursachen für häufige und länger anhaltende Infektionen sind oft Behandlungen, die das Immunsystem unterdrücken (sog. immunsupprimierende Therapien). Nähere Informationen, wie Medikamente das Immunsystem schwächen können, finden Sie hier.

Lesen Sie im Folgenden, welche Autoimmunerkrankungen einen erworbenen Immundefekt zur Folge haben können.

Systemischer Lupus erythematodes

Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine chronische Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem den gesamten Körper („systemisch“) angreift und eine Immunschwäche auslösen kann. Dabei produzieren bestimmte Immunzellen, genauer die aus B-Zellen  entstandenen Plasmazellen, sogenannte Autoantikörper. Antikörper haben die Aufgabe, artfremde Eiweiße (Antigene) zu binden und damit unschädlich zu machen. Die Autoantikörper (griechisch „auto“ = selbst) richten sich jedoch gegen körpereigene Antigene und lösen dadurch Entzündungsprozesse aus.
Die  Symptome des SLE sind sehr vielfältig. Typisch sind „schmetterlingsförmige“ Hautrötungen im Gesicht, außerdem treten häufig Gelenkschmerzen und Gefäßentzündungen auf. Auch innere Organe können von Entzündungen betroffen sein, etwa die Leber, das Herz oder die Nieren (Lupusnephritis).
SLE verläuft vor allem zu Beginn meist schubweise, nicht selten kommt es dabei zu Fieber. In der Regel werden die Schübe mit der Zeit allerdings weniger intensiv.
Die Behandlung des SLE umfasst unterschiedliche Medikamente. Bei akuten Schüben werden Kortioson-Präparate eingesetzt, auch immunmodulierende Medikamente kommen zum Einsatz. 
Die Symptome des SLE können gut behandelt werden, allerdings besteht ein erhöhtes Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen. Daher ist ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung, regelmäßiger Bewegung und Verzicht auf Rauchen und Alkohol besonders wichtig.

Immunthrombozytopenie (ITP)

Früher: idiopathische thrombozytopenische Purpura 
Bei dieser Autoimmunerkrankung greift das Immunsystem die Blutplättchen (Thrombozyten) an und zerstört sie, wodurch ein Mangel entsteht (griechisch penía = Mangel). Zudem werden zu wenige Blutplättchen gebildet. Blutplättchen haben verschiedene Aufgaben bei der Immunabwehr. Entscheidend ist jedoch ihre Rolle bei der Blutgerinnung und dem Wundverschluss. Durch den Mangel an Blutplättchen neigen Betroffene zu Blutungen, die in der Haut, im Mund und im Magen-Darm-Trakt auftreten können. Einige Betroffene leiden außerdem an rascher Ermüdung – einem typischen Symptom der sogenannten Fatigue-Erkrankung.
Betroffene erhalten in erster Linie Kortikosteroide. Diese sollen die Bildung von Antikörpern gegen Thrombozyten hemmen. Außerdem können intravenös Immunglobuline gegeben werden. Sie verhindern, dass die mit Antikörpern markierten Thrombozyten zerstört werden, was kurzfristig die Thrombozytenzahl ansteigen lässt. Weitere Informationen zu dieser Therapieform finden Sie hier.
Bei Betroffenen mit einem schweren Verlauf der ITP steht die Bildung von Thrombozyten (Thrombopoese) im Fokus: Sogenannte Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten imitieren die Wirkung des Hormons Thrombopoetin, das zu einer gesteigerten Thrombozytenbildung führt. Auch die Entfernung der Milz (Splenektomie) kann eine Option sein. Dieser Eingriff kann eine Abmilderung der Symptome (Remission) bewirken. Allerdings können – insbesondere direkt nach der Operation – gehäuft Infektionen auftreten. Denn die Milz ist ein wichtiges Organ im Rahmen der Immunabwehr .

Weitere Autoimmunerkrankungen

Greifen Autoantikörper Teile der Nerven an, z.B. die umhüllende Zellschicht (Myelinscheide), entwickeln sich Autoimmunerkrankungen mit neurologischer Ausprägung. 
Beispiele hierfür sind

  • Guillain-Barré-Syndrom: Hierbei handelt es sich um eine sogenannte akute Polyneuropathie, bei der unterschiedliche sogenannte periphere Nerven betroffen sind – also die Nerven außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks. Bei diesem Krankheitsbild treten Lähmungserscheinungen und Muskelschwächen auf. 
  • Chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie (CIDP): Auch diese seltene chronische Erkrankung ist eine Polyneuropathie. Die Symptome treten innerhalb von Wochen und Monaten auf. Die CIPD kann sowohl kontinuierlich als auch schubartig verlaufen.
  • Multifokale motorische Neuropathie (MMN): Bei dieser chronischen erworbenen Erkrankung sind die sogenannten motorischen Nerven betroffen, die Befehle von Gehirn und Rückenmark (also vom Zentralnervensystem) zu den Muskeln leiten. Sind diese Leitungswege gestört, treten Schwächen und Teil-Ausfälle (Paresen) der Muskulatur auf.

Das Kawasaki-Syndrom ist eine akute systemische Entzündung der Gefäße, von der vor allem Kinder bis zum fünften Lebensjahr betroffen sind. Unbehandelt werden auch die Herzkranzgefäße geschädigt, was später das Risiko für einen Herzinfarkt erhöhen kann.

Bei der entzündlichen Autoimmunerkrankung Dermatomyositis sind sowohl die Haut (griech. derma) als auch die Muskeln (griech. mys) betroffen. Es zeigen sich charakteristische Hautveränderungen, aber auch Schwächen und Schmerzen von Muskeln.

Auch bei diesen Autoimmunerkrankungen kommt – je nach Ausprägung und neben anderen Therapiemöglichkeiten – gegebenenfalls eine Therapie mit Immunglobulinen infrage .
 


Immunsystem-unterdrückende Medikamente: zwei Seiten einer Medaille

Klassische Immunsuppressiva und auch moderne Medikamente, die ins Immunsystem eingreifen und dessen Abläufe verändern, können die Immunabwehr hemmen. Sie sind bei verschiedenen Erkrankungen ein unverzichtbarer Bestandteil der Therapie. Allerdings schwächen sie die Abwehr gegen Krankheitserreger so stark, dass Betroffene deutlich häufiger an Infektionen durch üblicherweise harmlose Erreger erkranken. Ob und wie weit sich eine Immunschwäche entwickelt, hängt dabei vom Medikament, seiner Dosierung und der Therapiedauer sowie von der vorliegenden Erkrankung ab.

Wann werden Medikamente mit immunsuppressiver Wirkung eingesetzt?

Für Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, gibt es vielfältige Anwendungsbereiche. Allerdings können auch bestimmte Arzneimittel (z. B. im Rahmen einer Immun- oder Chemotherapie bei Krebserkrankung) als Nebenwirkung die körpereigene Abwehr beeinträchtigen. Wann und warum Medikamente mit immunsuppressiver Wirkung eingesetzt werden, erfahren Sie hier:

Das Immunsystem erkennt ein transplantiertes Organ als körperfremd und versucht, es zu zerstören. Eine Abstoßungsreaktion wäre die Folge. Um dies zu verhindern, nehmen Transplantierte lebenslang Immunsuppressiva ein. Diese unterdrücken das Immunsystem so weit, dass es das Spenderorgan toleriert. Der Nachteil: Dies beeinträchtigt auch die Abwehr von Krankheitserregern.
Besonders hoch ist das Infektionsrisiko direkt nach der Operation: Zum einen stellt die Operationswunde eine günstige Eintrittsstelle für Erreger dar. Zum anderen können bei den Betroffenen latente (nicht aktive) Erreger – beispielsweise Herpes-Viren – durch das medikamentös unterdrückte Immunsystem wieder aktiviert werden und sich vermehren. Zudem können auch Erreger aus dem Spenderorgan in den Körper gelangen. Nach etwa sechs bis zwölf Monaten sinkt das Infektionsrisiko. Zur Vorbeugung gegen Infektionen werden zusätzlich Medikamente wie beispielsweise Antibiotika oder Virostatika eingesetzt . 

Diese Erkrankungen entstehen aufgrund eines fehlgeleiteten Immunsystems. Sogenannte Autoantikörper greifen körpereigenes funktionsfähiges Gewebe an und schädigen oder zerstören es. Zu dieser Gruppe gehören chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (z. B. Morbus Crohn), Typ-1-Diabetes oder entzündlich-rheumatische Erkrankungen (z. B. rheumatoide Arthritis). Weiterhin gibt es Autoimmunerkrankungen, die das Nervensystem bzw. Teile davon angreifen und entsprechende Ausprägungen zeigen. Hierzu gehören etwa das Guillain-Barré-Syndrom, das Kawasaki-Syndrom, CIPD oder MMN. Auch Erkrankungen der Muskeln (Myositiden), der Haut (Dermatosen) oder der Gefäße (Vaskulitiden) können aufgrund überschießender Immunreaktionen gegenüber dem eigenen Körper entstehen. Weitere Informationen zu Autoimmunerkrankungen erhalten Sie hier
Immunsuppressiva dienen dazu, diese Reaktionen des Immunsystems zu unterdrücken. Es gibt verschiedene Stoffgruppen, die an unterschiedlichen Stellen in die Immunreaktionen eingreifen. Die sogenannten Biologika blockieren beispielsweise die Aktivierung von Immunzellen. Welche Immunsuppressiva zum Einsatz kommen, entscheiden die behandelnden Ärztinnen und Ärzte in Abhängigkeit von der vorliegenden Erkrankung. Alle diese Medikamente schwächen jedoch die Abwehrkraft des Immunsystems gegenüber Krankheitserregern. Betroffene sind damit anfälliger für Infektionen.

Sowohl eine Krebserkrankung selbst als auch deren Behandlung kann das Immunsystem schwächen . Die bei einer Chemotherapie eingesetzten Medikamente (sogenannte Zytostatika) greifen insbesondere Zellen an, die sich schnell teilen. Sie stoppen ihr Wachstum oder verhindern, dass sie sich vermehren. Diese Wirkung betrifft neben den Krebszellen aber auch das Knochenmark, in dem alle Blutzellen – also auch die Immunzellen – gebildet werden . Die immunsuppressive Wirkung mancher Zytostatika ist somit kein erwünschter Effekt wie bei den therapeutisch eingesetzten Immunsuppressiva, sondern eine Nebenwirkung. Wie weit dieser immunsuppressive Effekt sich bemerkbar macht, variiert individuell stark und hängt von den verabreichten Zytostatika, der Behandlungsdauer und der Krebserkrankung selbst ab. 
Neben den klassischen Chemotherapien werden zunehmend sogenannte Krebsimmuntherapien eingesetzt. Diese als Immunonkologie bekannte Therapieform nutzt das eigene Immunsystem zur Bekämpfung von Krebserkrankungen. Hierbei kommen unterschiedliche Mechanismen zum Einsatz, beispielsweise die Aktivierung von T-Zellen durch sogenannte Checkpoint-Inhibitoren. All diesen Ansätzen liegt das gezielte Erkennen und Zerstören von Krebszellen zugrunde. Allerdings verändern diese Therapien die Funktionsweise des Immunsystems – wirken also immunmodulierend. Das kann auch die Immunabwehr des gesamten Organismus beeinflussen.

Je nach individueller Konstitution der Betroffenen können bestimmte Impfungen vor Beginn einer Immun- oder Chemotherapie das Immunsystem unterstützen. Hilfreich sind außerdem Hygienemaßnahmen (z. B. große Menschenansammlungen und engen Kontakt zu Haustieren vermeiden, auf Gartenarbeit verzichten).

Gute Hygienemaßnahmen können unabhängig von der Grunderkrankung Infektionen vermeiden. Tipps für den Alltag finden Sie hier.

Wichtig!

Impfungen sollten während einer Therapie mit Immunsuppressiva nur in Absprache mit dem Arzt oder der Ärztin durchgeführt werden, der/die diese Medikamente verordnet. Zum einen kann die Verabreichung eines sogenannten Lebendimpfstoffes bei Betroffenen eine schwere Erkrankung auslösen. Zum anderen können die Immunsuppressiva den Impferfolg gefährden. Weitere Informationen finden Sie hier.
 


Viren können Auslöser von Immundefekten sein

Viren gehören neben Bakterien zu den häufigsten Krankheitserregern. Das Immunsystem wehrt die Eindringlinge häufig ab, ohne dass der Betroffene Symptome zeigt. Es gibt jedoch Viren, die das Immunsystem nachhaltig angreifen und so einen erworbenen Immundefekt auslösen können.

Lesen Sie hier, welche Viren in der Lage sind, einen Immundefekt zu verursachen und welche Langzeitfolgen dabei häufig auftreten.

Humanes Immundefizienz-Virus (HIV)

In Kürze: Das HI-Virus löst bei infizierten Personen eine Immunschwäche aus. Dies gelingt dem Virus, indem es nach und nach die sogenannten T-Helferzellen zerstört. Als Folge entwickeln Betroffene das erworbene Immunschwächesyndrom (englisch „Acquired Immunodeficiency Syndrome“; AIDS). 

Im Körper dringt das Virus in T-Helferzellen ein und vermehrt sich rasch, indem es die T-Helferzellen sozusagen umprogrammiert. Diese übernehmen also nicht mehr ihre eigentlichen Aufgaben, sondern produzieren neue HI-Viren.
Sobald die neu entstandenen HI-Viren die T-Helferzellen verlassen, sterben diese ab. Da diese Immunzellen wichtige Funktionen bei der Immunabwehr haben, wird das Immunsystem geschwächt. Betroffene können Grippe-ähnliche Symptome wie Müdigkeit oder Fieber aufweisen. Erst ein bis zwei Monate nach der Infektion kann das Immunsystem durch Neubildung von T-Helferzellen die Zahl der HI-Viren im Körper (sogenannte Viruslast) verringern. Es gelingt ihm jedoch nicht, die HI-Viren gänzlich zu beseitigen. In dieser Phase der täglichen Auseinandersetzung des Immunsystems mit den HI-Viren entwickeln Infizierte meist keine Symptome. Erst wenn das belastete Immunsystem nicht mehr in der Lage ist, die Virusvermehrung einzudämmen, kommt es wieder zu Symptomen. Dazu gehören Nachtschweiß, Gewichtsverlust, geschwollene Lymphknoten oder Gürtelrose. 

Ohne Therapie führt diese Schwächung des Immunsystems nach und nach zum erworbenen Immunschwächesyndrom (AIDS). Die Anzahl der T-Helferzellen ist in dieser Zeit so stark gesunken, dass das Immunsystem auch andere Krankheitserreger nicht mehr abwehren kann. Betroffene leiden an häufigen und schweren Infektionen mit üblicherweise harmlosen Krankheitserregern, insbesondere an Lungenentzündungen oder Infektionen durch Pilze. Eine sogenannte antiretrovirale Therapie (also gegen das Hi-Virus wirksame Medikamente) kann das Immunsystem unterstützen, indem sie die Anzahl der Viren im Körper senkt.
 

Masern-Virus

Das Masern-Virus schwächt das Immunsystem zweifach. Zum einen infiziert es direkt die für die Immunabwehr wichtigen sogenannten Lymphozyten und zerstört sie. Dies macht den Körper anfällig für Begleitinfektionen durch andere Krankheitserreger. Zum anderen kann das Masern-Virus einen Monate bis Jahre anhaltenden Immundefekt verursachen. Betroffene werden so nach der überstandenen Masern-Infektion häufiger krank. 

Der Immundefekt entsteht durch die Zerstörung sogenannter B-Gedächtniszellen (eine Unterform der Lymphozyten). Die B-Gedächtniszellen speichern Informationen über Krankheitserreger, die den Körper schon einmal infiziert haben. Sie sind sozusagen das Gedächtnis des Immunsystems. Das ermöglicht bei einer erneuten Infektion durch diese Erreger eine schnelle Reaktion des Immunsystems, indem dieses erregerspezifische Antikörper bildet. Durch die abgestorbenen B-Gedächtniszellen fehlen diese Antikörper und somit ist der Körper anfälliger für Infektionen.

Wichtig!

Eine Impfung gegen Masern beeinträchtigt das Gedächtnis des Immunsystems nicht.
 

Neben dem HI-Virus und dem Masernvirus gibt es weitere Viren, die Immundefekte auslösen können, zum Beispiel Viren aus der Gruppe der Herpesviren .


Erworbener Immundefekt: Wenn der Stoffwechsel die Abwehrkräfte schwächt

Für erworbene Immundefekte gibt es zahlreiche Ursachen. Hierzu gehören auch Stoffwechselstörungen, bei denen chemische Abläufe im Körper aus dem Gleichgewicht geraten. Dies kann sich auf das Immunsystem auswirken und so häufigere Infektionen zur Folge haben.

Lesen Sie in den folgenden Abschnitten, welche Stoffwechselerkrankungen zu einem erworbenen Immundefekt führen können.

Viele Ursachen für einen Immundefekt

So vielfältig und komplex wie der körpereigene Stoffwechsel sind auch die Interaktionen zwischen den Stoffwechselvorgängen und den Funktionen des Immunsystems. Eine Stoffwechselerkrankung kann daher auch die körpereigene Abwehr beeinträchtigen. Die Betroffenen leiden dann an häufiger auftretenden und länger anhaltenden Infektionen mit Krankheitserregern, für die gesunde Menschen nur ein geringes Infektionsrisiko haben. 

Folgende Stoffwechselerkrankungen sind unter anderem bekannt dafür, dass sie die Abwehrkräfte schwächen:

Was ist das?

Typ-2-Diabetes (ältere Bezeichnung Altersdiabetes) ist eine erworbene Stoffwechselerkrankung. Die Körperzellen werden dabei weniger empfindlich für das in der Bauchspeicheldrüse gebildete Insulin (sogenannte Insulinresistenz). Dieses Hormon sorgt dafür, dass Zucker (Glukose) aus dem Blut in die Zellen gelangt, wo er verstoffwechselt wird. Die Bauchspeicheldrüse muss durch die Insulinresistenz immer mehr Insulin produzieren, um die Glukose in die Zellen zu schleusen. Ohne Behandlung kann dies schließlich zu einer Erschöpfung der insulinbildenden Zellen und damit zu einem absoluten Insulinmangel führen . Dann benötigen Betroffene eine Therapie mit Insulin. 

Wichtig!

Obwohl diese Form des Diabetes im Volksmund nach wie vor „Altersdiabetes“ genannt wird, betrifft sie immer mehr junge Erwachsene.

Als Folge dieser Stoffwechselstörung steigen die Blutzuckerwerte stark an. Die erhöhte Glukosekonzentration kann Gefäße und Organe schädigen. Zu den wichtigsten Risikofaktoren für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes zählen eine erbliche Veranlagung, Übergewicht, zu wenig Bewegung und eine ungesunde Ernährung.

Welche Auswirkungen hat Typ-2-Diabetes auf das Immunsystem?

Studien haben gezeigt, dass ein hoher Blutzuckerspiegel die Abwehrkraft des Immunsystems beeinträchtigt. Zudem vermehren sich Bakterien und Pilze deutlich besser, wenn die oberen Hautschichten viel Zucker enthalten. Betroffene leiden daher deutlich häufiger und länger an Infektionen. Insbesondere Atemwegserkrankungen wie beispielsweise Lungen- oder Nasennebenhöhlenentzündungen sowie Haut- und Harnwegsinfektionen kommen häufiger vor als bei gesunden Menschen.

Die Kontrolle behalten …

Eine gute Einstellung des Blutzuckerspiegels senkt die Infektionshäufigkeit . Informieren Sie daher Ihren Arzt oder Ihre Ärztin, wenn Infektionen bei Ihnen häufiger auftreten.
 

Was ist das?

Die Niere ist ein wichtiges Organ für den Stoffwechsel. Sie hat unter anderem die Aufgabe, Wasser und Abbauprodukte des Stoffwechsels auszuscheiden. Hierzu wird das Blut in den kleinen Nierenkörperchen (Glomeruli) gefiltert. Größere Teilchen wie Zellen sowie Zucker und Eiweiße (Proteine) passieren diesen Filter nicht. Bestimmte Erkrankungen der Niere, aber beispielsweise auch Diabetes können die Nierenkörperchen schädigen. Sie werden dadurch durchlässiger für Eiweiße und es entwickelt sich das sogenannte nephrotische Syndrom (griechisch „nephros“ = Niere).

Es wird auch als Proteinverlustsyndrom bezeichnet, denn kennzeichnend ist, dass vermehrt Proteine durch die Nieren ausgeschieden werden. Die Eiweißmenge im Blut nimmt dadurch stark ab. Da Proteine Wasser im Blut halten, führt dieser Eiweißmangel im Blut zu Wasseransammlungen in Geweben, den sogenannten Ödemen. Sie zeigen sich als Schwellungen vor allem an Beinen oder Armen. Betroffene weisen außerdem erhöhte Blutfettwerte auf.

Welche Auswirkungen hat das nephrotische Syndrom auf das Immunsystem?

Die verstärkte Proteinausscheidung durch die Nieren betrifft auch Antikörper (Immunglobuline), denn bei ihnen handelt es sich um Eiweiße. Der dadurch entstehende Mangel an Antikörpern erhöht die Anfälligkeit für Infektionen . Betroffene können von einer Immunglobulin-Ersatztherapie profitieren.

Weitere Informationen dazu finden Sie hier.